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29.10.2019

Böhlen stellt sich dem Unrecht von vor 167 Jahren

Seit den 90er Jahren arbeiten die Böhlener Dieter Lange und Hans-Günter Schneider ein dunkles Kapitel Böhlener Geschichte auf. 1852 wurden 154 Böhlener Männer, Frauen und Kinder nach Brasilien zwangsausgesiedelt. „Zu Unrecht wurden diese Menschen als asozial stigmatisiert. Ich danke deshalb Dieter Lange und Hans-Günter Schneider für die Aufarbeitung, die Völkerverständigung zwischen den Nachfahren und die Böhlener Erklärung, die das Geschehene ins richtige Licht rückt“, sagt Landrätin Petra Enders.

Am Freitag, 1. November 2019, machen sich die beiden Böhlener Dieter Lange und Hans-Günter Schneider, die Erfurter Fotokünstlerin Henriette Kriese und der Berliner Filmemacher Gerald Backhaus auf nach Genua, um mit einem Schiff nach Brasilien überzusetzen. Dort treffen sie auf Böhlener, die vor 167 Jahren zwangsausgesiedelt wurden. Sie sprechen immer noch den Dialekt der einstigen Heimat, ohne ihre Vergangenheit zu kennen. „Die haben ihnen die beiden Böhlener erst wiedergegeben. Sie arbeiteten das damalige Unrecht auf, suchten die Kontakte und vermittelten. Seit vielen Jahren begleite ich diese Aufarbeitung schon und unterstütze das Anliegen, alte Wunden zu kitten, zwischen den Völkern zu vermitteln und Geschehenes aufzudecken“, sagt Landrätin Petra Enders.

Sie übergibt den Böhlenern am Dienstag, 29. Oktober 2019, ein großes Transparent aus Stoff mit Abbildungen der Böhlener Kirche und des Altars. „Die einstigen Weber haben mit ihren Erträgen auch die Kirche in Böhlen Mitte des 19. Jahrhunderts reich ausgestattet. Mit dem Wegbruch der Arbeit und Fehlernten gerieten diese Familien in Schieflage. Sie forderten soziale Reformen und Unterstützung. Als Aufständische wurden sie 1852 von Rudolstädter Soldaten gefangen genommen und über einen Ausländeragenten auf drei Schiffen nach Brasilien als quasi Leibeigene auf Kaffeeplantagen verkauft.“

Auf diese Zwangsaussiedlung stießen Dieter Lange und Hans-Günter Schneider vor vielen Jahren und recherchierten sich durch unzählige Archive und Kirchenbücher. Heute können sie auf eine Erklärung verweisen, in der die Kirchgemeinde und die weltliche Gemeinde sich zu dem damaligen Unrecht bekennen. „Mit dieser Erklärung arbeiten beide die Vergangenheit auf und anerkennen das Geschehene. Das nimmt das Stigma von den damaligen Zwangsausgesiedelten und dient so der Völkerverständigung. Zu verdanken haben wir das Dieter Lange und Hans-Günter Schneider, die als Vermittler zwischen den Kulturen, dem Damals und dem Heute sowie der gemeinsamen Vergangenheit, die Schicksale in vielen ehrenamtlichen Stunden sichtbar gemacht haben. Ihre Arbeit ist gerade in heutiger Zeit vorbildhaft und bewundernswert.“

Andreas Beyersdorf, Hans-Günther Schneider, Dieter Lange, Petra Enders und Mathias Gruhn mit dem Banner für die Kaffeepflücker in der Kirche Böhlen.

V. i. S. d. P. Doreen Huth, Büro Landrätin