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29.06.2022

Von geheimen Orchideenwiesen, tierischer Landschaftspflege und besonderen Blühpunkten im Ilm-Kreis - Resümee der Naturschutztour

Terminlich ganz schön vollgepackt war die Naturschutz-Kreisbereisung, zu der die Untere Naturschutzbehörde des Ilm-Kreises am 24. Juni eingeladen hatte. Gemeinsam mit Landrätin Petra Enders, Claudia Müller von der Natura 2000-Station Gotha-Ilm-Kreis und Ralf Demmerle, dem Vorsitzenden des Naturschutzbeirates, ging es schon in den frühen Morgenstunden los. Erste Station: die Naturschutzwiese in Altenfeld. 

Direkt hinter dem Schwimmbad liegt eine seggenreiche Nasswiese mit Sumpfhochstaudenfluren. Auffällig ist das große Vorkommen des Breitblättrigen Knabenkrautes. Mehr als 2.000 Pflanzen wachsen auf der Wiese, die bereits 1989 vom Rat des Kreises Ilmenau als Flächennaturdenkmal unter Naturschutz gestellt wurde. Aber auch Gelb-, Wiesen-, Igel- und Hirseegge kommen hier vor, ebenso wie die Gauklerblume. „Einmal im Jahr wird gemäht, immer erst nach dem 1. September, damit sich die Pflanzen voll entwickeln können. Seit 2009 kümmert sich die Landgemeinde Großbreitenbach um die Pflege der Orchideenwiese. Der Erfolg ist wirklich zu sehen“, sagte Landrätin Petra Enders und bedankte sich bei der Gemeinde für das langjährige Engagement.

Mit dabei war auch Peter Grimm, Bürgermeister der Landgemeinde Großbreitenbach. Im Gespräch entstand die Idee, Workshops für Bauhofmitarbeiter rund um das Thema Naturschutz anzubieten, mit dem Ziel, einen Handlungsfaden für die richtige Pflege der Flächen zu erarbeiten und das Bewusstsein für den Umgang mit Neophyten wie der vielblättrigen Lupine zu entwickeln, die zwar schön anzusehen ist, aber sehr invasiv ist und heimische Arten verdrängt, ebenso wie der Japanische Staudenknöterich oder die Orientalische Zackenschote, die dem Raps täuschend ähnlich sieht. 

„Es hilft schon, den Rasen seltener zu mähen. Das hat nicht nur positive Effekte für Insekten, sondern hilft auch, die Feuchtigkeit in den Böden zu halten, gerade in den heißen Sommermonaten“, betonte Andreas Mehm, Sachgebietsleiter der Unteren Naturschutzbehörde, und verwies auf altbekannte, aber überlebte Denkmuster, die es auch im Rahmen der Initiative „Ilm-Kreis blüht“ zu überwinden gilt, z. B.  „Totholz muss aufgeräumt werden“, „Rasen muss kurzgehalten werden“, „Brennnesseln und Disteln müssen ausgerupft werden“.

Weiter ging es nach Singen auf den „Kaffenberg“, wo schon die 22-jährige Schäferin Rosali Albrecht mit ihren drei Herdenschutzhunden wartete. Bereits 1990 wurde der südwestlich gelegene Unterhang des Kaffenbergs unter Schutz gestellt. Die Fläche ist von einen Halbtrockenrasen auf Muschelkalk geprägt, der von verschiedenen Gehölzstrukturen eingerahmt ist. Hier wachsen der Große Händelwurz, Fliegenragwurz, Bienenragwurz und Silberdistel, Pflanzen, die selten sind und besonders schützenswert. Ein Grund mehr für den Ilm-Kreis, das Flächennaturdenkmal und weitere, naturschutzfachlich wertvolle Teile mit Unterstützung der Stiftung Naturschutz im Jahr 2000 zu erwerben.

Rosali Albrecht, die ursprünglich aus Berlin stammt, kümmert sich mit ihrer Landschaftspflegeherde, die aus Ziegen und Schafen besteht, seit diesem Jahr um die Pflege des Flächennaturdenkmals, um der Verbuschung der Fläche entgegenzuwirken. Dabei handelt es sich um ein Teilprojekt der Natura 2000-Station Gotha-Ilm-Kreis, das im Rahmen des Projektes „Weidewonne – Zukunftsnetzwerk für schafbeweidete Naturschutzflächen in Thüringen“ umgesetzt wird. Das Gesamtvorhaben wird federführend von der Naturstiftung David betreut und durch das Bundesprogramm für biologische Vielfalt gefördert.

Das Teilprojekt „Landschaftspflegeherde und Technik“ läuft von November 2021 bis Oktober 2027. Unter dem Dach der Natura-2000-Station Gotha-Ilm-Kreis soll modellhaft eine Landschaftspflegeherde aufgebaut werden, die vorzugsweise dort zum Einsatz kommt, wo bestehende Schäfereibetriebe weggebrochen sind oder es andere Nutzungsdefizite gibt – vor allem bei kleinen Splitterflächen. Außerdem soll geeignete Technik für die Nachpflege schafbeweideter Naturschutzflächen angeschafft werden, um die Schäfereibetriebe bei der mechanischen Nachpflege zu unterstützen. Die Technik soll bei der Natura-2000-Station stehen und zielgerichtet eingesetzt werden.

Der Erhalt vieler Biotope, beispielsweise die Trocken- oder Halbtrockenrasen am Kaffenberg, ist eng mit einer Landschaftspflege durch Schafe oder Ziegen verbunden. Allerdings sinkt bundesweit seit Jahren die Zahl schafhaltender Betriebe und damit auch die Zahl von Schafen und Ziegen. „In diesem Zusammenhang ist das Projekt der Natura-2000-Station Gotha-Ilm-Kreis besonders bedeutsam und sollte dringend eine Fortsetzung nach Ende der Förderperiode erfahren“, sagte Landrätin Petra Enders beim Besuch auf dem Kaffenberg.

Vorerst ist geplant, die Landschaftspflegeherde langsam von den derzeitig 50 auf etwa 200 (bis max. 300 Tiere) anwachsen zu lassen. Für die Unterbringung im Winter sowie für Futtermittel und Geräte wird noch eine weitere/r Stall/Halle/Scheune mit einer Größe von rund 400 m² im Ilm-Kreis zur Miete bzw. Mietkauf gesucht. Interessenten können sich bei Hartmut Schmidt (Tel. 0172/ 7768026) von der Natura-2000-Station Gotha/Ilm-Kreis melden.

Die dritte Station widmete sich den innerörtlichen Flächen in Arnstadt, die zum Erhalt der Biodiversität neugestaltet werden. Gefördert durch den Wettbewerb „Mehr Natur in Dorf und Stadt“ des Thüringer Umweltministeriums wurden u. a. neue trockentolerante Staudenflächen am Obertunk, Kreuzung Elxlebener Weg angelegt. Die Fläche ist noch neu und muss noch wachsen und gedeihen, wird aber zukünftig für eine große Blütenpracht sorgen, wie Helen Lehmann, studierte Arboristin und bei der Stadt Arnstadt tätig, eindrucksvoll in einer Präsentation zeigte.

„Die Stadt Arnstadt ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Flächen zum Erhalt der Biodiversität geschaffen werden können. Ich freue mich, dass die Stadt die Initiative „Der Ilm-Kreis blüht“ so intensiv unterstützt“, sagte Landrätin Petra Enders bei der Natur- und Umwelttour, die im Innenhof des Landratsamtes endete: vor dem großen Rundbeet in der Mitte, das in diesem Jahr neugestaltet wurde. Erstmals wurde die Fläche in Absprache mit der Stadt Arnstadt nicht mit einjährigen Blumen bepflanzt. Vielmehr wurde der Grundstein für einen Blühpunkt gelegt, der im Frühjahr, Sommer und Herbst für botanische Effekte sorgt.

Für den sehr sonnigen und trockenen Standort wurden pflegeleichte Pflanzen, angefangen von der Vielfarbigen Wolfsmilch bis zur Küchenschelle, ausgewählt. „Bei der Auswahl der Pflanzen wurde zudem darauf geachtet, dass von April bis September immer einige Pflanzen blühen und nicht nur zur blütenreichsten Zeit im Mai bis Juli“, erklärte Andreas Mehm zur Besichtigung.

Für Struktur im Beet sorgt die Kombination von hohen und niedrigen Stauden. Zusammen mit den Blütenfarben von gelb über rosa bis hin zu violett wird mit der Zeit ein ästhetisches Gesamtbild geschaffen, das auch so manchem Insekt nützt, getreu der Faustregel, dass von jeder heimischen Pflanzenart mindestens 10 heimische Tierarten profitieren.

Die Pflege von Wildstaudenbeeten, wenn alle Pflanzen etabliert sind, ist gering. In der Regel reicht es, wenn die alten Blütenstände im Frühjahr zurückgeschnitten werden. Wenn die Blütenstände und Blätter im Winter stehen bleiben, können sie auch als Winterquartier für so manches Insekt dienen. 

Der Blühpunkt soll quasi „Schule machen“ und als Vorlage für die Gestaltung weitere, kreiseigener Rabatten und Staudenbeete dienen.

Bild vergrößern: Kaffenberg, Singen
Landrätin Petra Enders mit Mitarbeitern des Umweltamtes des Ilm-Kreises, der Natura-Station-2000 Gotha-Ilm-Kreis und Schäferin Rosali Albrecht (vorn links) auf dem Kaffenberg, einem Flächennaturdenkmal.

V. i. S. d. P. Anke Roeder-Eckert, Büro Landrätin